Ich habe heute einen Fehler bemerkt. Nicht gemacht. Gemacht habe ich den Fehler schon vor drei Tagen, aber er wurde mir erst heute rückgemeldet. Es war nichts Schlimmes, nichts, bei dem sich jemand Sorgen machen, tagelang grämen oder sonst wie gedanklich belasten würde. Einfach einer dieser doofen, ärgerlichen Schusseligkeitsfehler, die in den Zeiten entstehen, in denen sowieso nicht die größten Ressourcenvorräte da sind und man nicht die höchste Konzentrationsleistung hat – und dann muss man auch noch Fehler gerade rücken, sich ein bisschen schämen, sich über sich selbst ärgern und sich nochmal um eine Sache kümmern, die man doch schon im Schweiße seines Angesichts aus der Welt geschafft hatte. Wer behauptet, Fehler seien Helfer, wenn man nur die Buchstaben vertauscht, dem entgegne ich: “Das heißt doch dann nur, dass Helfer Fehler sind, wenn man die Buchstaben vertauscht – und falsch geschrieben ist es dann obendrein auch noch!”
Sie merken, ich mag es nicht, Fehler zu machen. Schlaue Fehler, aus denen man etwas lernen kann, sehr gerne, habe ich nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und kann meine Lehren daraus ziehen, kann ich Fehler und die daraus entstehende Unzufriedenheit, gepaart mit Verbesserungswillen und der nötigen Wut-Energie dafür, durchaus nutzen. Aber Flüchtigkeits-, Schusseligkeits- und Unkonzentrationsfehler, die nerven mich einfach nur. Aus denen lerne ich nur, dass ich aktuell nicht so ressourcenstark bin, wie ich es gerne wäre – und um ehrlich zu sein, brauche ich nicht noch diese Art von Fehlern, die mir diese Tatsache dick aufs Brot schmieren, das weiß ich auch so (und Zeiten ändern sich, da gibt es nichts anderes zu tun, als Quizshows zu schauen und Computerspiele mit Schafen zu spielen).
Wie Sie sehen, verwehrt sich meine Psyche mit Leidenschaft jeder Uminterpretation von Unkonzentrationsfehlern, die meine innere Therapeutin leicht zur Hand hat (das ist das Gute und das Nervige an der Psychotherapeutentätigkeit, man hat immer eine innere Therapeutin parat, die nicht müde wird, kluge Ratschläge zu geben). Es gibt allerdings ein Gedankenspiel, das ich liebend gerne spiele, wenn es um Flüchtigkeitsfehler geht – sowohl die von mir, als auch die von anderen:
Das Fehlergutscheinspiel (der Titel hatte es schon verraten, ich wollte es trotzdem nochmal ausdrucksstark hier her schreiben, weil ich ja erst mal ordentlich abgeschweift bin.)
Wie schon erwähnt, nutzt der Ärger über Flüchtigkeitsfehler nur in seltenen Fällen. Vielmehr scheinen sie zu den ganz normalen Erscheinungen des Menschseins zu gehören, wie Schnupfen, schlechte Laune und Pointen nicht verstehen. Man macht sie nicht absichtlich und nicht aus grundsätzlich mangelhaften Fertigkeiten heraus, sondern aus der Situation heraus. Sicherlich mag es gewissenhaftere und weniger gewissenhafte Menschen geben, die mehr oder weniger zu Flüchtigkeitsfehlern neigen, aber “weniger” ist eben nicht das Gleiche wie “nie”. Anstatt uns also über die Fehler, die eigenen und die der anderen, aufzuregen, wie wäre es, wenn wir diese immer wieder als Anlass nutzen würden, uns daran zu erinnern, dass wir nicht perfekt sind und damit leben müssen (und alleine das beschwerlich genug ist, sodass der Vorwurf keinen weiteren Nutzen entfaltet). Anstatt mich also in Selbstkasteiung zu üben, wenn ich einen Fehler mache, schreibe ich in Gedanken einen Gutschein, einen Gutschein für irgendjemand anderen, der mit Sicherheit einen Fehler machen wird, der mich betrifft. Und ich mache mir klar, dass dieser Mensch wahrscheinlich kein nutzloser Vollpfosten ist, sondern eine Person, die auch nur durchs Leben kommen und dabei möglichst viel möglichst gut machen will – und der das nicht immer gelingt. So wie mir. Anstatt mich in Selbstärger zu ergehen, übe ich mich im Mitgefühl mit all den anderen Menschen, die Fehler machen.
Und wenn andere Fehler machen, über die ich mich aufrege? Ganz einfach, dann schreibe ich mir innerlich einen Gutschein, ebenfalls einen Fehler zu machen – denn ich bin sicher, ich werde ihn brauchen! Ich erinnere mich mit diesem Gutschein daran, dass ich auch schon in Situationen war, in denen mir Blödsinn passiert ist, weil ich nicht gut beieinander war, dass ich manchmal mein Bestes gebe und trotzdem versage, dass ich manchmal nicht weiß, wo mir der Kopf steht und dass ich dann auf das Verständnis und die Nachsicht anderer angewiesen bin. Anstatt mich dem Ärger über die andere Person hinzugeben, übe ich mich in Demut.
Diese Gutscheine schreibe ich natürlich nicht wirklich, ich gebe sie auch nicht aus, zähle sie nicht oder wiege sie gegeneinander auf in der Idee, dass die Quote immer zu beiden Seiten ausgeglichen sein muss. Mir geht es um den inneren Prozess, nicht um das gegeneinander Aufwiegen. Das Bild, innerlich einen Gutschein zu schreiben, hilft mir lediglich dabei, in diesen inneren Prozess zu kommen und ihn dann auch zu beenden. Und wegen des Fehlers, auf den ich heute hingewiesen wurde, mache ich meine innere Schublade mit den Fehlergutscheinen auf, die ich durch die Fehler anderer bekommen habe, schaue ihn kurz an, zerreiße ihn und werfe ihn in den Papierkorb. Es wird nicht der letzte sein, den ich brauche, aber zum Glück machen die Menschen um mich herum ebenfalls genug kleine Fehler, dass ich mir keine Sorgen machen muss, dass die Fehlergutscheine für mich jemals ausgehen werden. Und umgekehrt ist es genauso.